Kirchenaustritte
Schäfchenzählen auf Katholisch
Im Jahr 2021 haben jeden Tag fast 1.000 Menschen in Deutschland der katholischen Kirche den Rücken gekehrt. Ein Schock für die Institution, vor allem deshalb, weil nun offenbar zunehmend auch die Treuen, die Engagierten austreten. Das zumindest hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, gesagt. Die Skandale, ob Missbrauch oder Finanzen, haben sie offenbar desillusioniert, die Hoffnung auf Reformen beim Synodalen Weg ist anscheinend zu gering.
Mit Reformen den Exodus stoppen?
Doch würden Reformen allein reichen, etwa Frauen zu Priesterinnen zu weihen und den Zölibat zu kippen, um den Exodus aus der Kirche zu stoppen oder gar umzukehren? Ein Blick auf die Zahlen der evangelischen Kirche, in der verheiratete Frauen Gemeinden leiten, predigen und Sakramente spenden, legt nahe, dass dem nicht so wäre. Auch die Protestanten erleiden einen immer stärkeren Aderlass an Mitgliedern. Dort geht dem Austritt – so hat es die EKD vom eigenen Sozialwissenschaftlichen Institut erheben lassen – ein längerer Entfremdungsprozess voraus.
Wer bestimmt den Maßstab: Kirche muss mehr an Menschen glauben
Ja, es gibt eine Entfremdung der Menschen von den Kirchen. Skandale sind da wahrscheinlich nur der letzte Tropfen, der so manches Fass zum Überlaufen bringt. Der Nürnberger Jesuitenpater Ansgar Wiedenhaus spricht in "Stationen" von einem verspielten Vertrauen darauf, dass sich Kirche auf die Lebens- und Glaubensfragen der Menschen einlasse. Er rät seiner Kirche, "dass wir auch an die Menschen wieder neu glauben, anstatt ihnen einen Maßstab hinzuhalten und zu sagen: 'Wenn du dem nicht gerecht wirst, dann bist du halt doof oder böse oder beides.' Wenn wir uns auf diesen unglaublich humanen, diesen am menschlichen Leben ermöglichenden Glauben besinnen, dann kann Kirche wieder anfangen." Ein kluger Gedanke angesichts des Austritts-Rekords,
findet Christian Wölfel
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